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Die Stiftung schweigt. Vorstand und Kuratorium verweisen – nachvollziehbarerweise – auf die Sitzung am kommenden Samstag, wenn es um die notwendigen Entscheidungen für die Zukunft geht. Weniger nachvollziehbar ist, warum einzelne Mitglieder sich eher erratisch zu den Aktivitäten und Prämissen der Vergangenheit äußern und auf Nachfragen nicht mehr reagieren.

Doch ein paar wenige Stimmen gab es doch. In seiner „Gegenwart und Zukunft der Karl-May-Stiftung“ betitelten Stellungnahme vor wenigen Tagen erklärte beispielsweise Michael Petzel, Mitglied im Kuratorium der Stiftung, das Selbstverständnis der Stiftung.

„Es ist unbedingtes Ziel einer Stiftung, den originären Willen der Erblasser wachzuhalten und zu realisieren.“

Er führte sie zurück bis in die Gründungszeit 1913 und verstieg sich zu der Behauptung „Die Stiftung spiegelt […] ‚physisch‘ den letzten Willen Karl und Klara Mays.“ Und ganz deutlich: „[E]s [ist] unbedingtes Ziel einer Stiftung, den originären Willen der Erblasser wachzuhalten und zu realisieren. Dieser letzte Wille ist per se nicht demokratisch abstimmungsfähig, sondern nur durch gewissenhafte ‚Einfühlung‘ der Nachgeborenen ermittelbar.“

„Meint er nun den letzten Willen Karl Mays oder die letztwilligen Verfügungen von Karl und Klara May?“

Wolfgang Hermesmeier, Karl-May-Bibliograf und wie Michael Petzel KARL MAY & Co.-Autor, merkte dazu in der Mailingliste der Karl-May-Gesellschaft skeptisch an: „Meint er nun den letzten Willen Karl Mays oder die letztwilligen Verfügungen von Karl und Klara May? Ich beziehe mich auf die Stiftungsurkunde von 1913, die in Erfüllung von Karl Mays Testament unter §4 zwei Stiftungszwecke formuliert (zitiert nach GW34, EA, S. 586): a) Sie [die Stiftung] soll einzelne würdige Personen beiderlei Geschlechts, die zufolge ihrer besonderen Begabung – sei es im allgemeinen, sei es auf einem bestimmten Gebiete – sich einem höheren Berufe (insbesondere einem akademischen) zuwenden möchten, die Mittel aber nicht besitzen, dergestalt nachhaltig unterstützen, daß es ihnen möglich wird, sich zu einer anderen Lebensführung, die ihrer besonderen Begabung entspricht, emporzuarbeiten; b) Ueberdies soll sie in Deutschland wohnenden Schriftstellern, Journalisten und Redakteuren, die durch Alter, Unfall, Krankheit oder andere Ursache in drückende Notlage gekommen sind, Unterstützung gewähren.“

Tatsächlich wird in der Satzung von 1913 ein zu gründendes oder zu unterhaltendes Museum nicht erwähnt, dafür aber Wohltätigkeit und das in gleich zwei Paragrafen. Allerdings ist die Anzahl der finanziellen Unterstützungen – laut Satzung der einzige konkrete Stiftungszweck – offenbar überschaubar. Belegt ist genau ein Stipendium (für zwei Jahre), das 1998 bewilligt wurde. Nun gab es durchaus einige historische Wenden in der Zeit seit der Gründung dieser Stiftung, sich aber auf den Willen des Stifters zu berufen, ist vor dem Hintergrund des von Hermesmeier erläuterten Kontextes – kühn.

§2 der Satzung bestimmt übrigens: „Stiftungsvorstand ist das Königliche Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts.“ Das heißt – worauf Wolfgang Hermesmeier ebenso hinwies –, dass in ordentlicher Rechtsnachfolge heute das Kultusministerium des Landes Sachsen jener Vorstand sein müsste.

„Sollte man die Stiftung daher nicht zum Wohle aller von dieser Last befreien und die Trägerschaft des Museums in öffentlich-rechtliche Hände geben? Dann fände die Stiftung wieder die Zeit, sich im Sinne ihrer Stifter um Stipendiaten zu kümmern, die finanzielle Unterstützung sowohl verdient als auch nötig haben, und ggf. sich des Vorrats an Klara-May-Medaillen durch Vergabe zu entledigen?“

Hermesmeier fasst seine Überlegungen so zusammen: „Die Karl-May-Stiftung hat also nicht mehr ihren ursprünglichen Namen, ist von der ursprünglichen öffentlich-rechtlichen Trägerschaft in die private übergegangen, und es verbindet sie auch nichts mit der Satzung von 1913.“ Und kommt zu dem Fazit: „Sollte man die Stiftung daher nicht zum Wohle aller von dieser Last befreien und die Trägerschaft des Museums in öffentlich-rechtliche Hände geben? Dann fände die Stiftung wieder die Zeit, sich im Sinne ihrer Stifter um Stipendiaten zu kümmern, die finanzielle Unterstützung sowohl verdient als auch nötig haben, und ggf. sich des Vorrats an Klara-May-Medaillen durch Vergabe zu entledigen?“

Ein Szenario, das in der Karl-May-Szene heiß diskutiert werden dürfte. Apropos: Diskussionen sind es, die im Mittelpunkt der entscheidenden Kuratoriumssitzung am kommenden Samstag in Radebeul stehen. Hier werden die Weichen gestellt, ob und ggf. wie es mit der Zukunftsvision des Karl-May-Museums weitergehen und wer neuer Geschäftsführer von Karl-May-Stiftung und -Museum werden wird. Dem Vernehmen nach gilt eine Verlängerung der Amtszeit des Interims-Geschäftsführers René Wagner aus diversen Gründen als undenkbar. So wartet die Karl-May-Szene gespannt auf die Ergebnisse des 27. Juni.

Dankenswerterweise stellt die Karl-May-Gesellschaft in ihrem Sekundärliteraturarchiv auch Dokumente zur Geschichte der Karl-May-Stiftung online zur Verfügung, was jedem Interessierten einen unkompliziert möglichen Einblick erlaubt.