Der Schauspieler und Sprecher Gert Westphal ist tot. Der ‚Vorleser der Nation‘, wie er oft genannt wurde, starb im Alter von 82 Jahren in einer Züricher Klinik an Krebs. Mit seiner unverwechselbaren Stimme und seiner Interpretationsfähigkeit nahm er seit den 60er Jahren mehr als 200 Texte der Weltliteratur auf. Mit sonorer, wandlungsfähiger Stimme, mit eigenem Rhythmus machte er Bilder hörbar und faszinierte über Stunden große Auditorien.

Noch im hohen Alter veranstaltete Westphal viele Lesungen. Die Palette seiner zahlreichen Rundfunklesungen und Plattenaufnahmen sucht ihresgleichen. Westphal las alle deutschen Klassiker wie Theodor Fontane, Johann Wolfgang von Goethe, Heinrich Heine, Hermann Hesse und die Mann-Brüder. Seine große Liebe galt dabei dem Schriftsteller Thomas Mann. Weiter bearbeitete er Rainer-Maria Rilke, Oscar Wilde, Tolstoi, John Steinbeck und Jean Anouilh für den Hörfunk.

Den Karl-May-Fans ist er vor allem durch seine 1992 bei der Deutschen Grammophon erschienene und hochgelobte Hörbuch-Adaption von ‚Der Schatz im Silbersee‘ bekannt geworden.

Westphal wurde am 5. Oktober 1920 als Sohn eines Direktors einer Treibriemenfabrik in Dresden geboren. Seine Laufbahn als Schauspieler und Regisseur begann er nach dem Krieg bei den Bremer Kammerspielen. Ab 1948 leitete er die Hörspielabteilung bei Radio Bremen. Parallel inszenierte er an Theatern in Hamburg, Stuttgart und Zürich.

Beim Südwestfunk in Baden-Baden, wo er von 1953 bis 1959 tätig war, stellte eine Begegnung mit Filmregisseur Max Ophüls die Weichen für seine weitere Karriere. Dieser regte ihn zur Aufnahme jener epischen Hörspielproduktionen an, die zu Westphals Markenzeichen wurden. Zum vielbeachteten Vorleser wurde Westphal 1963. An 28 Abenden trug er im Norddeutschen Rundfunk die Josefsromane von Thomas Mann vor. Der Erfolg war so durchschlagend, dass der Verlag daraufhin eine Taschenbuchausgabe der Bücher herausgab.

Westphals Werk wurde vielfach mit Auszeichnungen gewürdigt, darunter mit dem Bundesverdienstkreuz und dem Deutschen Schallplattenpreis. Der Schweizer Kanton Zürich, wo er seit den 60er Jahren lebte, ehrte ihn mit seinem Literaturpreis. Westphal hatte auch die Schweizer Staatsbürgerschaft angenommen.

fun
Quelle: www.tagesschau.de