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Seit Ende vergangener Woche steht fest: Der aktuelle Vorstand der Karl-May-Stiftung tritt nicht zurück, wie die gesamte Belegschaft des Karl-May-Museums ebenso wie der Vorstand des Fördervereins gefordert hatte. Hintergrund waren schwere Vorwürfe des Museumsdirektors Dr. Christian Wacker, der bereits im Februar seinen Posten gekündigt hatte (KARL MAY & Co. berichtete).
Der Stiftungsvorstand streckte vielmehr den imaginären Mittelfinger aus, indem Radebeuls Oberbürgermeister Bert Wendsche, als Mitglied des Vorstands bisher aus Sicht von Kritikern Teil des Problems, zum Vorsitzenden aufrückte – zumindest bis zur nächsten planmäßigen Sitzung des Kuratoriums der Karl-May-Stiftung am 27. Juni. Und doch distanzierte sich Vorstandsmitglied Thomas Grübner, der den Vorsitz bereits in den vergangenen Wochen nach kurzer Zeit in diesem Amt niedergelegt hatte, vom Vorstand, indem er in einem Artikel der DNN ankündigte, bis Ende des Monats ausscheiden zu wollen. Später korrigierte er, er wolle bis zur Neuwahl des Vorstandes bleiben.
Wie geht es nun nach dem 27. Juni mit dem Vorstand der Karl-May-Stiftung weiter? KARL MAY & Co. skizziert ein paar Szenarien.
Szenario 1: Der aktuelle Vorstand tritt geschlossen zurück.
Selten hat die Karl-May-Stiftung einen solchen öffentlichen Druck aushalten müssen. Nach den Vorwürfen und Offenlegungen Christian Wackers gab es ein breites Presseecho, und es sind nicht nur ein paar Hardcore-Fans, die die Seriosität der Stiftung in Frage stellen. Vor diesem Hintergrund könnte der aktuelle Vorstand komplett zurücktreten oder nicht mehr antreten, um den Weg frei zu machen für einen kompletten Neuanfang.
Wahrscheinlichkeit: äußerst gering. Begründung: Die Vorstandsmitglieder Wendsche und Harder sind in der Vergangenheit nicht durch die Fähigkeit zu Selbstkritik und -reflektion aufgefallen, vielmehr scheinen sie an ihren Posten zu kleben, und sie sprechen von Verantwortung für die Stiftung und die Stadt Radebeul. Zudem ist Wendsche als Oberbürgermeister gewohnt, Druck auszuhalten. Für ihn geht es außerdem auch um die Reputation als Politiker. Ralf Harder, der bereits in der Karl-May-Stadt Hohenstein-Ernstthal als Geschäftsführer des Fördervereins Karl-May-Haus scheiterte, dürfte nicht daran interessiert sein, in der Karl-May-Szene eine weitere Niederlage einzustecken. Um jeden Preis durchhalten, dürfte hier die Devise lauten.
Szenario 2: Der aktuelle Vorstand wird vom Kuratorium abgewählt.
Der aktuelle Vorstand hat deutlich gemacht: Er tritt nicht zurück, auch will man offenbar niemanden aus dem Vorstand entfernen, etwa den, dem Christian Wacker die meisten Vorwürfe machte. Dennoch brodelt es im Vorstand, wenn man berücksichtigt, dass im Verlauf der letzten Monate gleich zwei Vorsitzende das Handtuch warfen, einer (Werner Schul) sogar den Vorstand gänzlich verließ und ein weiterer (Thomas Grübner) dies ankündigte. Also offenbar Auflösungserscheinungen, die – so lautet unser Szenario Nr. 2 – auch das Kuratorium der Stiftung nicht mehr ignorieren kann, immerhin sieht man hier durchaus den großen Reformbedarf, den Christian Wacker ansprach. Am 27. Juni könnte das Kuratorium daher die Konsequenzen ziehen und mit einer Zweidrittelmehrheit den aktuellen Vorstand aus dem Amt hieven.
Wahrscheinlichkeit: gering. Warum? Das Kuratorium besteht zu einem Teil aus Gefolgsleuten der aktuellen Vorstandsmitglieder. Offenbar hat man hier in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten dafür gesorgt, Leute zu rekrutieren, die den Vorständlern nahe stehen – oder selbst schon mal Teil des Vorstandes waren und somit ins Kuratorium abgeschoben und quasi aufs Abstellgleis gestellt wurden. Problem: Als Kontrollgremium taugt das Kuratorium dann nicht. Dass man aber die eigenen Leute absetzt, scheint unwahrscheinlich, wenn auch nicht ausgeschlossen.
Szenario 3: Der kritisierte Vorstand wird personell verstärkt.
„Zuwahl“ nannte es die Karl-May-Stiftung in einer ihrer kürzlich an nur einem Tag herausgegebenen Presseerklärungen. Das meint – so Szenario 3 – die personelle Verstärkung des Vorstandes um in dieser Krise unbelastete Leute. Dies würde zwar nicht den Forderungen von Museumsbelegschaft und Vorstand des Fördervereins entsprechen, die sich die Abwahl der handelnden Personen wünschen, wäre aber ein Zugeständnis dieser an die Kritiker. Oder, anders ausgedrückt: Man könnte versuchen, die Kritiker mit diesem Kompromiss ruhig zu stellen.
Wahrscheinlichkeit: hoch. Zunächst: Eine „Zuwahl“ (schon jetzt kennen wir das Unwort des Jahres 2020) ist schon durch den bereits vollzogenen oder angekündigten Abgang zweier Vorstandsmitglieder wahrscheinlich. Um den Kritikern entgegenzukommen, dürfte aber auch zu erwarten sein, dass man Personen in den Vorstand holt, die insofern unbelastet sind, als sie keinem Lager der zerstrittenen Personen entstammen.
Denkbar sind natürlich auch Szenarien, in denen nur ein oder zwei der verbliebenen Mitglieder den Vorstand verlassen (müssen) und ein neu gewählter Vorstand aus alten und neuen Vorstandsmitgliedern bestünde.
Bei allen Szenarien bräuchte man neues Personal für den Vorstand. Schon in der jüngsten Erklärung des Stiftungskuratoriums hieß es, dass „mehrere Kuratoren“ in der letztwöchigen Videokonferenz darauf hingewiesen hätten, in der Sitzung Ende Juni „großflächige Umbesetzungen im Vorstand“ diskutieren und umsetzen zu wollen. „Geeignete neue Kandidaten und Kandidatinnen hätten bereits ihre Bereitschaft zur Mitwirkung im Vorstand erklärt“, hieß es.
Wer könnte dies sein? Nach Informationen von KARL MAY & Co. wurde hinter den Kulissen bereits ausgelotet, wer im Vorstand Leute wie Ralf Harder und Bert Wendsche ersetzen könnte. Gehandelt werden hier Namen wie Katja Margarethe Mieth, Direktorin der Sächsischen Landesstelle für Museumswesen, Dr. Jörg Müller, Erster Bürgermeister der Stadt Radebeul (u.a. zuständig für das Stadtbauamt) oder Dr. Matthias Henkel, Historiker, Volkskundler und ehemaliger Direktor der Museen der Stadt Nürnberg, der auch viele Jahre im Vorstand des deutschen Nationalkomitees des International Council of Museums (ICOM) war.
Die hier gezeigten Szenarien lösen aber das dringlichste Problem der Stiftung nicht: einen neuen Museumsdirektor als Nachfolger von Christian Wacker zu finden. Dieser wird bereits in wenigen Wochen, zum 1. Juni, benötigt. Nach Informationen von KARL MAY & Co. liefen bereits erste Versuche, einen neuen Kandidaten zu gewinnen, ins Leere.