Von Freitag bis Sonntag steht an der Uni Potsdam Karl May im Mittelpunkt eines Symposiums. Unter dem durchaus provokanten Titel „Immer fällt mir, wenn ich an den Indianer denke, der Türke ein…“, soll es auf Einladung von Karl-May-Gesellschaft und -Stiftung sowie der Hochschule um „Kulturelle Repräsentationen im Werk Karl Mays im Brennpunkt aktueller Diskurse“ gehen.
Lange bevor sich die „Winnetou-Debatte“ im Spätsommer 2022 am Rückzug der Ravensburger Filmbände so richtig entzündete, wurde bereits immer wieder – pünktlich zu Karneval und dem Start der Freilichtbühnensaison – über Mays Werke und die allgemeine „Indianertümelei“ der Deutschen diskutiert. Als bei der Frühjahrstagung des Mitarbeiterkreises der Karl-May-Gesellschaft 2022 in Dessau über die Dringlichkeit einer verbindlichen Antwort der Szene auf die Anwürfe gesprochen wurde, brachte Prof. Dr. Andreas Brenne erstmals die Möglichkeit ins Gespräch, an „seiner“ Universität in Potsdam ein entsprechendes Symposium zu organisieren. Die Notwendigkeit eines Austausches auch mit den Kritikern auf einer solchen Bühne sei ihm schon länger ein Anliegen gewesen, sagt Brenne, der sich später in der Sommer-Diskussion einmal mehr in vielen Medien eben diesem Austausch stellte. Schon bei der Debatte um die Leitung des Radebeuler Museums hatte er sich da sehr offensiv verhalten.
Es ist dem Kunstpädagogen gelungen, interessante Diskussionsgäste und Vortragende einzuladen, darunter auch Vertreter indigener Gruppen. Gleich zum Auftakt am Freitagnachmittag wird Jens Balzer, Autor und Kolumnist, zu Wort kommen. „Wunsch, Indianer zu werden. Versuch über eine Ethik der Appropriation“, ist sein Beitrag überschrieben. Danach wird über das Thema „Karl May vermitteln – Translationen im Spannungsfeld von Appropriation, Affirmation und Repräsentation“, diskutiert, mit Jean-Marc Birkholz (Karl-May-Bühne Elspe), Prof. Dr. Christian Dawidowski (Universität Osnabrück), Allison Aldridge-Saur (Chickasaw Nation), Bernhard Schmid (Karl-May-Verlag) und Dr. Lisa Pychlau-Ezli (Universität Frankfurt). Der Moderator ist Ben Hänchen, Redakteur beim MDR Kultur-Radio und als jahrelanger Akteur auf der Waldbühne Bischofswerda selbst Kind der Bühnenszene im wahrsten Wortsinne. Seine Selbstzweifel und Fragen sorgten bereits im Frühsommer 2022 in einem Podcast („Winnetou ist kein Apache“) für Aufsehen und auch Aufregung.
Zumindest die eigentliche Diskussion wird auch von MDR Kultur übertragen, die im Anschluss geplante Möglichkeit der Zuhörerbeteiligung vor Ort aber nicht mehr.
Im Vorfeld musste der Organisator hier bereits erfahren, wie schnell die Rassismuskeule von manchen Personen geschwungen wird. Prof. Dr. Susan Arndt (Universität Bayreuth) sollte am Samstag um 10 Uhr über „Das I-Wort, oder warum es wichtig ist, koloniale Konzepte und Erzählungen zu dekolonisieren“ sprechen. „Als sie den Flyer sah und einige der Titel von Beiträgen las, bekam ich eine Mail, sie aus allen Vorankündigungen zu streichen“, sagt Andreas Brenne. Er hatte das Konzept zwar zuvor bei indigenen Ansprechpartnern auf der anderen Seite des Atlantik absegnen lassen, aber das war seinem geplanten Gast egal: „Sie hat seither jede Diskussion verweigert.“ Er fand allerdings recht schnell Ersatz. Nunmehr wird Dr. Lisa Pychlau-Ezli (Universität Frankfurt) keinen Vortrag halten, aber zusätzlich an der Freitagsdiskussion teilnehmen.
Für Andreas Brenne, der von rund 100 Teilnehmern ausgeht, ist es wichtig, den Dialog mit Vertretern indianischer Gruppen zu führen, die am kommenden Wochenende durch Allison Aldridge-Saur (Chickasaw Nation) und Shoshana Wasserman (First American Museum, Oklahoma, Museologie) sowie Kevin Manygoats (Navajo Nation) repräsentiert werden. Letzterer lebt seit 20 Jahren in Dresden und ist in engem Austausch mit dem Karl-May-Museum. Dazu kommen viele auch vertraute Namen aus deutschen Wissenschaftszirkeln sowie die in den USA und Deutschland lehrende Prof. Dr. Dana Weber (Florida State University). – mku –
Und hier ist das Programm nach aktuellem Stand:
Tagungsort
Auditorium Maximum
Am Neuen Palais 10
14469 Potsdam
Ablauf des Symposiums:
Freitag, 17.03.2023
Ab 16:00 Uhr Anmeldung
Grußworte/Einführung
Dr. Florian Schleburg (Vorsitzender Karl-May-Gesellschaft)
Prof. Dr. Holger Kuße (Vorstand Karl-May-Stiftung)
Prof. Dr. Andreas Brenne (Universität Potsdam)
17:15 Uhr Keynote
Jens Balzer (Autor und Kolumnist)
Wunsch, Indianer zu werden. Versuch über eine Ethik der Appropriation
18:00 Pause mit Imbiss
19:00–21:00 Uhr Podiumsdiskussion
(Übertragung durch MDR Kultur)
Jean-Marc Birkholz (Karl-May-Bühne Elspe)
Prof. Dr. Christian Dawidowski (Universität Osnabrück)
Allison Aldridge-Saur (Chickasaw Nation)
Bernhard Schmid (Karl-May-Verlag)
Dr. Lisa Pychlau-Ezli (Universität Frankfurt)
Karl May vermitteln – Translationen im Spannungsfeld von Appropriation, Affirmation und Repräsentation
Moderation: Ben Hänchen (MDR Kultur)
Samstag, 18.03.2023
09:00 Uhr Grußwort
Prof. Oliver Günther, Ph.D. (Präsident der Universität Potsdam)
09:15 Uhr Keynote
Prof. Dr. Christian Niemeyer (TU Dresden)
„Karl May würde AfD wählen!“ Ein mutmaßlicher Wahlkampfslogan von 2023 und seine bis ins Jahr 2018 zurückreichende Vorgeschichte
10:00 Uhr Panel I. Literaturwissenschaft
Prof. Dr. Helmut Schmiedt (Universität Koblenz-Landau)
Karl May als Autor
Prof. Dr. Bernhard Leistle (Carleton University/Ottawa)
Der Tod Karl Mays – Literatur-phänomenologische Betrachtungen zum Autor
Prof. Dr. Florian Krobb (Maynooth University)
Karl Mays Ordnung der Welt durch Binden und Lösen.
Einige Beispiele aus den Orient-Texten
Moderation: Dr. Gunnar Sperveslage / Laura Thüring
13:00 Uhr Mittags-Imbiss
14:00 Uhr Panel II. Kulturwissenschaft/Museologie I
Robin Leipold (Karl-May-Museum Radebeul)
Das Karl-May-Museum neu denken
Dr. Frank Usbeck (Grassi Museum, Ethnographische Sammlungen Sachsen)
Indianerbegeisterung: Museen im historischen Spannungsfeld zwischen Popkultur, Klischees und Bildungsauftrag
Moderation: Prof. Dr. Holger Kuße
15:30 Uhr Kaffeepause
16:00 Uhr Kulturwissenschaft/Museologie II
Shoshana Wasserman (First American Museum, Oklahoma, Museologie)
Reconsidering – What We Think We Know
Dr. Markus Lindner (Universität Frankfurt, Ethnologe)
Changing Connections. Museums and Native American Knowledge Through the Time
Ruppe Koselleck (Münster, Bildender Künstler)
Von den ewigen Jagdgründen bis zur rohen Ölmalerei – Performative Installation
Moderation: Dr. Florian Schleburg
18:15 Uhr Vortrag mit Filmvorführung
Gunter Lange / Dr. Nina Reuther (Indianer-Inuit Filmfestival, Stuttgart)
‚Searching for Winnetou‘ – Zeitgenössischer indigener Film
Sonntag, 19.03.2023
9:00 Uhr Panel III. Kulturelle Perspektiven im Dialog
Prof. Dr. Dana Weber (Florida State University)
Perücken im Wind. Kulturelle Aneignung oder kultureller Transfer bei Karl-May-Festspielen
Allison Aldridge-Saur (Director, Service Support in the Division of Citizen Relations and Service Support, Chickasaw Nation, Oklahoma)
Allison Aldridge-Saur’s Guide for Winnetou’s Decolonization
Moderation: Prof. Dr. Andreas Brenne
10:30 Uhr Kaffeepause
11:00 Uhr Vortrag
Dr. Jörg Jewanski (Universität Wien)
Kulturelle Bezüge des Film-Soundtracks der Karl-May-Filme der 1960er Jahre
12:00 Uhr Fishbowl-Diskussion
Fishbowl-Diskussion mit Vertreter*innen von Karl-May-Gesellschaft, Karl-May-Stiftung und Kevin Manygoats (Navajo Nation)
Ausklang
Weiteres: https://www.uni-potsdam.de/de/kunst/index/karl-may-symposium