Am 12. Mai hat sich der Vorstand der Karl-May-Stiftung neu konstituiert, mit dem Vorsitz von Radebeuls Oberbürgermeister Bert Wendsche, der diesen Posten zunächst bis zur angekündigten Sitzung von Stiftung und Kuratorium am 27. Juni bekleiden soll. Zuvor waren mit Werner Schul und Thomas Grübner kurz hintereinander gleich zwei Vorsitzende zurückgetreten.

Während Grübner angekündigt hat, bis zum Juni-Termin keine öffentliche Stellungnahme abgeben zu wollen, geht Werner Schul im Gespräch mit KARL MAY & Co. ausführlich auf seine Gründe ein, das Engagement im Gremium zu beenden, und macht aus seiner Verwunderung über die aktuellen Ereignisse keinen Hehl.

Bemerkenswert: Der langjährige Vorsitzende der Stiftung folgt diesem Geschehen ausschließlich „über die Presse“. Nach seinem Rücktritt Anfang März „bin ich völlig abgeklemmt worden“, betont Werner Schul, von einigen Kontakten zu Christian Wacker einmal abgesehen. Dass Schul auf den scheidenden Geschäftsführer des Karl-May-Museums große Stücke hält, wird dabei schnell deutlich: „Christian Wacker hatte es geschafft, ein kleines Provinzmuseum gut für die Zukunft aufzustellen, damit vielleicht sogar in die erste Liga der Museumsdirektoren aufzusteigen. Und jetzt dieses Kasperletheater!“

„Christian Wacker hatte es geschafft, ein kleines Provinzmuseum gut für die Zukunft aufzustellen, damit vielleicht sogar in die erste Liga der Museumsdirektoren aufzusteigen. Und jetzt dieses Kasperletheater!“

Dieser Abgang habe eine schlechte Wirkung auf die Menschen in Radebeul, nicht zuletzt aber auch auf die Museumsszene, in der Christian Wacker ein sehr hohes Ansehen genieße.

Als Schul dann zu Jahresbeginn erfuhr, dass der Direktor das Radebeuler Haus verlässt, war das für ihn das Signal, ebenfalls „die Reißleine zu ziehen. Es haben sich viele Dinge hochgeschaukelt. Ich habe zwei Jahre lang erlebt und auch begleiten dürfen, wie Christian Wacker seine Ideen entwickelt hat. Wir waren zum Teil auch schon auf einem guten Weg. Ohne Wacker habe ich keine Möglichkeit gesehen, diese Dinge weiter voranzutreiben. Sie werden ja jetzt auch keinen Nachfolger finden. In dieser Qualität. Für dieses Geld.“

„Ohne Wacker habe ich keine Möglichkeit gesehen, diese Dinge weiter voranzutreiben. Sie werden ja jetzt auch keinen Nachfolger finden. In dieser Qualität. Für dieses Geld.“

Womit die von einigen Personen aus Stiftung und Kuratorium aufgeworfene Frage akut wird, ob Wacker wirklich ein Mann ist oder war, der „ohnehin immer auf dem Absprung gewesen“ sei?

Dazu hat Werner Schul eine ganz klare Antwort: „Das ist Quatsch. Christian Wacker hat sich explizit für das Museum entschieden. Weil er Spaß daran hatte und etwas umsetzen wollte. Es ist immer zu bedenken, wo der Mann herkommt. Und dann geht er in ein eher provinzielles Haus und versucht, aus einem Indianermuseum eine fortschrittliche Einrichtung zu machen, die ‚Vision‘ umzusetzen und Karl May für ein modernes Publikum aufzubereiten.“

Anfangs sei dies scheinbar auch gelungen. Aber es habe letztlich zunehmend Widerstände gegeben: „vor allem auch in der Person Ralf Harder mit seinem Magazin ‚Beobachter an der Elbe‘. Christian Wacker hatte mehrere Angebote, und er hat sie zunächst ausgeschlagen. Da ging es sicher nicht darum, ob er nun 2000 oder 3000 Euro im Monat mehr verdient.“

Aber es habe letztlich zunehmend Widerstände gegeben: „vor allem auch in der Person Ralf Harder mit seinem Magazin ‚Beobachter an der Elbe‘“.

Dass nicht alles rund lief, dass es Spannungen gab, wusste Werner Schul. Die Kündigung Christian Wackers hat ihn dennoch überrascht.

Hatte er als Vorsitzender des Gremiums da keine Möglichkeiten, zu Gunsten des Wissenschaftlers einmal „auf den Tisch zu hauen“?

Schul: „Wir haben natürlich auch immer einmal kontrovers diskutiert. Aber mir ging es stets darum, den Ausgleich zu suchen und die persönlichen Befindlichkeiten hintenan zu stellen. Der gemeinsamen Sache wegen. Letztlich hat sich aber zu viel hochgeschaukelt.“

„Da frage ich mich, wie tief ein Vorstand eigentlich sinken kann. Es hat ja Gründe für die Entlassungen dieser Personen [gemeint sind Claudia Kaulfuß und René Wagner] gegeben.“

Richtig ärgerlich wird der frühere „Stiftungsmann“, wenn es um die diskutierte Absicht geht, Wackers Vorgängerin Claudia Kaulfuß zurückzuholen, und darum, schließlich mit René Wagner einen weiteren, zuvor entlassenen Geschäftsführer wieder ins Amt zu hieven. Dazu der Mann im „Unruhestand“: „Da frage ich mich, wie tief ein Vorstand eigentlich sinken kann. Es hat ja Gründe für die Entlassungen dieser Personen gegeben. René Wagner hat sich sicher auch Meriten erworben. Aber ihn jetzt wieder einzusetzen und der Belegschaft zu präsentieren… Dann wurde noch die fristlose Kündigung ausgesprochen und diese Unterlassungserklärung gegen Christian Wacker. Ich weiß nicht, was das soll. Es gab doch schon einen Aufhebungsvertrag zum 31. Mai.“

Besonders publik wurde dieser Vorfall, weil Christian Wacker gerade Besuch vom früheren KMG-Vorsitzenden Dr. Johannes Zeiliger hatte. Was den Oberbürgermeister und seinen juristischen Begleiter aber nicht abhielt.

„Für menschliche Größe des OB spricht das eigentlich nicht.“

„Ein unglaublicher Zufall“, schüttelt Werner Schul hörbar am Telefon den Kopf und glaubt, „die Herren waren einfach derart fokussiert, dass es sie überhaupt nicht gestört hat. Für menschliche Größe des OB spricht das eigentlich nicht.“

Ansonsten habe Verwaltungschef Bert Wendsche nun als amtierender Vorsitzender „die Fäden in der Hand“. Werner Schul, der selbst „2013 noch als jüngster zum alten Vorstand“ gehörte und dann ab 2014 Vorsitzender im neuen war, blickt gespannt auf den Termin Ende des Monats und hofft, dass dann „wenigstens alle Fakten auf den Tisch“ kommen, auch bezüglich der  Fördersituation. An deren Hindernisproblematik über Jahre nicht gearbeitet wurde, ungeachtet des OB im Vorstand.

Trotzdem seien in seiner Amtszeit durchaus richtige Weichen gestellt worden, betont Schul: „Da war so vieles auf einem guten Wege. Unter anderem sollten die beiden Gebäude angefasst werden. Ursprünglich war bekanntlich einmal geplant, die Indianerausstellung in den Neubau zu verlegen. Das hat Christian Wacker aber wieder verworfen. Das Blockhaus sollte renoviert, zum Teil abgerissen und wieder aufgebaut werden. Um innen mehr Platz für die Ausstellung zu haben. Der Neubau wäre dann ein Einstiegsort, um die Besucher langsam in die Welt Karl Mays zu führen.“

„Ich bin froh, dass dieser Kauf [des Tankstellengrundstückes an der Meißner Straße in Radebeul] jetzt erfolgt.“

Werner Schul begrüßt in diesem Kontext ausdrücklich, dass die Stadt das Tankstellengrundstück gekauft hat. Was die nicht geringen Kosten angehe, liege Radebeul nun einmal „im Dresdner Speckgürtel. Leider sind die Immobilienpreise allgemein sehr gestiegen. Aber da sind auch Mittel der Städtebauförderung drin, da gibt es Fristen. Ich bin also froh, dass dieser Kauf jetzt erfolgt.“ Wie es dann weitergehe, hängt für ihn auch an den Folgen von Corona. Ob tatsächlich die benötigten Millionen fließen könnten, sieht er im Augenblick eher kritisch. Es habe wohl inzwischen „ein weiteres Gespräch mit de Maizière stattgefunden, über den Inhalt weiß ich aber nichts.“

Und was bedeutet ihm Karl May jetzt? Hat er nicht nach diesem Frühjahr ein wenig die Lust verloren, noch einen grünen Band in die Hand zu nehmen?

„Christian Wacker hat aber auch mir klar gemacht, dass Karl May gerade durch sein Spätwerk noch sehr aktuell ist. Dass es gut und wichtig ist, das für die Zukunft zu erhalten!“

Werner Schul: „Das ist so eine Sache. Für mich war Karl May vor allem der Schöpfer von Old Shatterhand und Winnetou. Von Kara Ben Nemsi. Das ist für mich aus heutiger Sicht längst nicht mehr so zu lesen wie früher, als es uns alle richtig gefesselt hat. Christian Wacker hat aber auch mir klar gemacht, dass Karl May gerade durch sein Spätwerk noch sehr aktuell ist. Dass es gut und wichtig ist, das für die Zukunft zu erhalten!“

Ob er selbst noch einmal in die Entscheidungsgremien zurückkehrt, macht er von den Entscheidungen am 27. Juni abhängig.  Ändere sich nichts, müsse er nicht zurück: Er habe auch noch andere Ehrenämter. Das Leben sei zu kurz für solche Ärgernisse. Werde es aber in Sachen Personal und Strukturen grundsätzliche Korrekturen geben, sieht Werner Schul durchaus einen Reiz: „Dann ist es sicher eine gute Aufgabe, diesen Kerl und sein Werk auch nach 100 Jahren noch zu begleiten und in eine neue Welt zu führen“.