Er war einer der Teilnehmer der denkwürdigen Sitzung des Kuratoriums der Karl-May-Stiftung am vorgestrigen Samstag in Radebeul, eine Sitzung, der vor dem Hintergrund ihrer Ergebnisse wohl ein Platz in die Stiftungsgeschichte sicher ist: Dr. Florian Schleburg. Der 48-Jährige, der seit noch nicht einmal einem Jahr Vorsitzender der Karl-May-Gesellschaft und damit Mitglied im Kuratorium ist, dürfte an dem bedeutsamen Resultat der Sitzung entscheidenden Anteil gehabt haben. Kurz nachdem Schleburg am vergangenen Wochenende aus Radebeul zurückgekehrt war, sprach KARL MAY & Co. mit dem Wissenschaftler, der als Akademischer Oberrat am Lehrstuhl für englische Sprachwissenschaft der Universität Regensburg arbeitet.

Herr Schleburg, Sie waren als Kurator der Karl-May-Stiftung Teilnehmer der Krisensitzung in Radebeul. Wie war die Stimmung?

Die Stimmung im Ratssaal war ein getreues Abbild der dramatischen Wetterlage über Radebeul an diesem Samstag: Erst herrschte drückende Hitze, dann ballten sich düstere Wolken zusammen, die sich in einem heftigen Gewittersturm entluden. Keiner von uns blieb trocken, aber gegen Abend konnte man etwas aufatmen …

„Die entscheidenden Abstimmungen fanden erst nach neuneinhalb Stunden statt, waren dann aber auch keine Kampfabstimmungen mehr, sondern spiegeln einen hart erarbeiteten Konsens wider.“

Können Sie den Ablauf und die Dauer der Sitzung etwas beschreiben?

Am Vormittag befasste sich das Kuratorium mit der aktuellen Situation des Museums nach dem Abschied von Herrn Dr. Wacker, insbesondere mit der wirtschaftlichen Problematik der Corona-Saison. Ab dem frühen Nachmittag sprachen wir mit drei Gästen, deren Einladung ich beantragt hatte: Frau Léontine Meijer-van Mensch, die Direktorin der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen, stellte sich als Kandidatin für den Stiftungsvorstand vor. Frau Ulrike Dämmig, die Betriebsrätin des Karl-May-Museums, gab noch einmal der Stimmung in der Belegschaft Ausdruck. Und Sammlungsleiter Robin Leipold beantwortete unsere Fragen zu seinen programmatischen Vorstellungen. Dazwischen stellten Prof. Thomas Bürger und Prof. Holger Kuße die Diagnosen und Empfehlungen vor, die der Wissenschaftliche Beirat in den letzten Wochen mit großer Sorgfalt ausgearbeitet hatte. Dies alles war wertvoller und konstruktiver Input, aber danach mussten konkrete Beschlüsse verabschiedet werden, und dafür zogen wir uns wieder ins Konklave zurück. Die entscheidenden Abstimmungen fanden erst nach neuneinhalb Stunden statt, waren dann aber auch keine Kampfabstimmungen mehr, sondern spiegeln einen hart erarbeiteten Konsens wider.

Stimmt es, dass ein Kuratoriumsmitglied während der Sitzung den Saal aus Protest verließ?

Ja, mit fliegender Tür. Ich empfand diesen Auftritt eher als comic relief, aber er war nicht der einzige Hinweis darauf, dass die Nerven vieler Beteiligter blank lagen.

„Diese Marathonsitzung, auf die sich so viele Erwartungen richteten, verlangte allen Beteiligten enorme Anstrengungen und schmerzliche Zugeständnisse ab, so dass am Ende Erleichterung, aber keine Euphorie zu spüren war.“

Wie bewerten Sie die erzielten Ergebnisse des Tages?

Diese Marathonsitzung, auf die sich so viele Erwartungen richteten, verlangte allen Beteiligten enorme Anstrengungen und schmerzliche Zugeständnisse ab, so dass am Ende Erleichterung, aber keine Euphorie zu spüren war. Noch um 19 Uhr hatte Ratlosigkeit im Saal geherrscht: Die Diskussion schien völlig festgefahren. Letztlich einigten wir uns nach hartem Schlagabtausch auf einen Kompromissvorschlag, den Herr Dr. Straßer, der Präsident des Kuratoriums, formuliert hatte. Ich bin überzeugt davon, dass er das beste Ergebnis darstellt, das von diesen Personen und nach dieser Vorgeschichte realistisch zu erreichen war. Immerhin fand abends im Garten des Karl-May-Museums eine kleine spontane Feier statt.

Mit Herrn Dr. Kunze kehrt ein ehemaliges Vorstandsmitglied zurück, das 2014 offenbar mit guten Gründen – so wie jetzt Ralf Harder und Bert Wendsche – mehr oder weniger gesichtswahrend vom Vorstand ins Kuratorium wechselte. Nicht erst seitdem stand er in der Kritik, auch bei Mitgliedern des Stiftungskuratoriums. Teilen Sie die Sorgen derer, die in Dr. Kunze den Neuaufbruch von Museum und Stiftung nicht sehen können?

Nein. Dass Herr Dr. Kunze sich bereit fand, mit seiner großen juristischen Kompetenz für ein Jahr in den Vorstand zurückzukehren, gehört zu den vielen konstruktiven Beiträgen, die einen Ausweg aus dem Dilemma überhaupt möglich gemacht haben. Als kaufmännischer Geschäftsführer übernimmt er sehenden Auges ein schweres Amt in schweren Zeiten. Es ist ja nicht so, dass die Kandidaten für den Vorstand Schlange gestanden hätten … und auch ein Neuanfang bedarf natürlich der Verzahnung mit der Vergangenheit.

„Es ist kein Geheimnis, dass ich zu denen gehörte, die eine Ablösung des alten Vorstands forderten, aber auch ich habe am Ende für diese Rochade gestimmt; ich sehe darin ein versöhnliches Zeichen der Anerkennung für das Geleistete trotz aller Differenzen in der Sache.“

Gegenüber dem MDR sagten Vertreter der Museumsbelegschaft: „Ralf Harder verbleibt in der Stiftung, im Kuratorium. Uns wäre es lieber gewesen, er hätte die Stiftung ganz verlassen.“ Das heißt: Dort kritisiert man offenbar die Postenrochade. Das Kuratorium wurde ja auch zuvor von Dr. Wacker und Dr. Zeilinger kritisiert, etwa als „old-boy network“ oder „Filz“. Wird letzterer Vorwurf durch solche personellen Entscheidungen nicht noch verstärkt und wann ist mit der Erneuerung des Kuratoriums zu rechnen? Wie soll diese Erneuerung vonstatten gehen?

Es ist kein Geheimnis, dass ich zu denen gehörte, die eine Ablösung des alten Vorstands forderten, aber auch ich habe am Ende für diese Rochade gestimmt; ich sehe darin ein versöhnliches Zeichen der Anerkennung für das Geleistete trotz aller Differenzen in der Sache. Herr Oberbürgermeister Wendsche ist für die Stiftung ein äußerst wertvoller Ratgeber, und auch Herr Harder hat verdient, dass man ihn weiterhin anhört. Wir haben uns nicht gegen Personen, sondern für Ideen eingesetzt. – Eine Erneuerung des Kuratoriums stand diesmal noch nicht auf der Tagesordnung; es besteht aber längst Einigkeit, dass unser Gremium jünger und vielfältiger werden muss. Für die Zuwahlen im Herbst liegt eine ganze Liste von Kandidatinnen und Kandidaten vor; auch ich selbst habe Vorschläge eingebracht.

„Persönliche Verstimmungen und Missverständnisse mussten wir, nachdem wir uns sehr frei ausgesprochen hatten, irgendwann hinter uns lassen, um überhaupt auf einen grünen Zweig zu kommen.“

Inwiefern wurde das Versprechen eingelöst, die von Christian Wacker geäußerten Vorwürfe aufzuarbeiten? Zu welchen Ergebnissen kam das Kuratorium diesbezüglich?

Diese Vorwürfe standen natürlich die ganze Zeit über im Raum, aber eine gründliche Aufarbeitung wäre nur möglich gewesen, wenn wir sowohl Herr Dr. Wacker selbst als auch Vorstandsmitglied Klaus Voigt hätten kritisch befragen können. Nach der fristlosen Entlassung von Herrn Dr. Wacker ist es für einen fairen ›Prozess‹ zu spät – und die Zeit lief uns davon! Sofern es sich um systemische Probleme handelt, wird hoffentlich die vorgesehene Strukturanalyse Klarheit bringen; persönliche Verstimmungen und Missverständnisse mussten wir, nachdem wir uns sehr frei ausgesprochen hatten, irgendwann hinter uns lassen, um überhaupt auf einen grünen Zweig zu kommen.

In der gestrigen Pressemitteilung der Stiftung heißt es: „Die von Dr. Christian Wacker erhobenen größtenteils informellen Vorwürfe gegen den bis zur Sitzung amtierenden Vorstand konnten auch auf Nachfrage des Kuratoriums nicht substantiiert belegt werden. Die Stiftung betrachtet dieses Thema als abgeschlossen und wird insofern nach vorne schauen, um sich ihren anstehenden wichtigen Kernaufgaben zu widmen.“ Wie ist das Ihrer Ansicht nach zu verstehen? Immerhin gibt es für Vorwürfe Wackers durchaus Belege. Ist es nicht erstaunlich, dass sich der neue Vorstand und das Kuratorium vor diesem Hintergrund mit dieser Aussage so sehr festlegen?

Es handelt sich um eine diplomatische Formulierung, die ich so interpretieren würde: ›da eine abschließende Untersuchung für uns nicht möglich war, gilt die Unschuldsvermutung‹. Der Passus soll klarstellen, dass der Rücktritt des alten Vorstands nicht als Schuldeingeständnis oder Verurteilung im Hinblick auf die von Herrn Dr. Wacker erhobenen Vorwürfe zu verstehen ist. Hier stand Aussage gegen Aussage, und daran durften wir die Verhandlungen nicht scheitern lassen.

„Frau Meijer-van Mensch ist für mich der größte Gewinn, den die Stiftung an diesem Samstag davongetragen hat, und ihre Wahl in den Vorstand war die einzige völlig unkontroverse Entscheidung des Tages.“

Mit Frau Léontine Meijer-van Mensch verstärkt nun eine ausgesprochen erfahrene und gut vernetzte Museologin den Vorstand. Wie kam ihr Name ins Spiel? Was erhoffen Sie sich von dieser Personalie?

Frau Meijer-van Mensch ist für mich der größte Gewinn, den die Stiftung an diesem Samstag davongetragen hat, und ihre Wahl in den Vorstand war die einzige völlig unkontroverse Entscheidung des Tages. Sie war im Vorfeld vom Wissenschaftlichen Beirat kontaktiert wurden, hatte spontan ihre Sympathie für das Radebeuler Kleinod bekundet und überzeugte das Kuratorium durch ihre pragmatische Herangehensweise und ihre charismatische Persönlichkeit. Nicht nur ich empfand das feminine Element im Raum als große Bereicherung, und ihre Aussage, das größte Kapital ihrer Museen seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, lieferte ein wichtiges Stichwort für die folgende Diskussion. Wir alle versprechen uns maßgebliche Impulse der Professionalisierung der Museumsarbeit von Frau Meijer-van Mensch und freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit.

„Grübner ist ein Kämpfer und als Fachmann für wirtschaftliche Fragen und moderne Menschenführung unentbehrlich.“

Aus dem alten Vorstand bleibt allein Thomas Grübner übrig. Warum wurde er nicht ähnlich wie Wendsche/Harder zum Rückzug bewegt, den er ja ohnehin mehrfach angekündigt hatte?

Thomas Grübner war bis zur Sitzung im Amt geblieben, um die Stiftung formal handlungsfähig zu erhalten, hatte sich aber von der Politik seiner damaligen Vorstandskollegen schon vor Monaten aufs Deutlichste distanziert. Da sich mit der Entscheidung für Léontine Meijer-van Mensch und Robin Leipold am Samstag eine Wende abzeichnete, ließ er sich von neuem in den Vorstand wählen. Grübner ist ein Kämpfer und als Fachmann für wirtschaftliche Fragen und moderne Menschenführung unentbehrlich.

„Die Satzung muss angepasst werden, damit die Gremien effizienter arbeiten können, und das schwierige Konstrukt der gGmbH bedarf einer gewissen Justierung. Erst dann hat es Sinn, die Zukunftsvision noch einmal durchzudenken – an diesem Traum von einem zukunftsfähigen Museum für Karl May und die wertvollen ethnologischen Sammlungen aber halten wir alle fest.“

Was sind nun die dringendsten Probleme, die die neu aufgestellte Stiftung lösen muss?

Wir haben jetzt einen arbeitsfähigen Minimalvorstand, der das Museum durch die akute Krise der Corona-Saison führen muss. Thomas Grübner und Dr. Volkmar Kunze genießen das Vertrauen der Belegschaft, die sowohl durch Frau Dämmig als auch durch Herrn Leipold noch einmal mit beeindruckender Entschiedenheit bekundet hat: »Wir wollen weitermachen!« In den kommenden Monaten soll eine detaillierte Organisationsanalyse die dringend nötige Strukturreform vorbereiten: Die Satzung muss angepasst werden, damit die Gremien effizienter arbeiten können, und das schwierige Konstrukt der gGmbH bedarf einer gewissen Justierung. Erst dann hat es Sinn, die Zukunftsvision noch einmal durchzudenken – an diesem Traum von einem zukunftsfähigen Museum für Karl May und die wertvollen ethnologischen Sammlungen aber halten wir alle fest.

„Diese Öffnung für Transparenz, Dialog und Professionalität war mir ein besonderes Anliegen: Lange Zeit herrschte in der Stiftung ja eine ganz andere Mentalität. Ich weiß, dass Herr Robin Leipold mit seiner fachlichen und menschlichen Qualifikation für diesen modernen Weg steht.“

In welche Richtung sollte sich Ihrer Meinung nach nun die Museumsarbeit bewegen? Was sind die wichtigsten Aktivitäten und Maßnahmen, auf die es nun ankommt, um Karl May gerecht zu werden?

Wir haben beschlossen, die klugen Empfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats zu beherzigen und die Diskussion über eine Neukonzeption des Karl-May-Museums in einem offenen Workshop mit Fachleuten zu führen. Dadurch können wir sowohl von der Erfahrung anderer Kulturinstitutionen ähnlicher Größe profitieren als auch selbst beispielgebend wirken. Diese Öffnung für Transparenz, Dialog und Professionalität war mir ein besonderes Anliegen: Lange Zeit herrschte in der Stiftung ja eine ganz andere Mentalität. Ich weiß, dass Herr Robin Leipold mit seiner fachlichen und menschlichen Qualifikation für diesen modernen Weg steht, würde es begrüßen, wenn er bald einen Sitz im Stiftungsvorstand erhielte (was derzeit formalrechtlich nicht möglich ist), und sage ihm die volle Unterstützung der Karl-May-Gesellschaft bei seiner Arbeit zu.

„Der 27. Juni hat Weichen gestellt, aber der Weg ist noch weit und wird den Gremien der Stiftung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr viel Arbeit abverlangen.“

Inwiefern haben die Ergebnisse und Ereignisse um die Karl-May-Stiftung auch für die Karl-May-Gesellschaft (KMG) bedeutenden Charakter?

Die ganze Karl-May-Szene hat in den vergangenen Wochen mitgefiebert und mitdiskutiert – die Villa „Shatterhand.“ ist ja für jeden und jede von uns ein Ort von großer symbolischer Bedeutung. Von meiner KMG, die sich – um ein Schlagwort der Debatte aufzugreifen – am ›Kommunikationskulturkampf‹ sehr tat- und wortkräftig beteiligt hat, erhalte ich seit Bekanntwerden der Ergebnisse fast im Minutentakt freudige und erleichterte Rückmeldungen. Neben der betriebswirtschaftlichen, juristischen und museologischen Expertise werden die May-Forschung und die in unserer Gesellschaft konzentrierte Sachkompetenz bei den anstehenden Diskussionen eine wichtige Rolle spielen. Unsere Vertreter sitzen am Tisch, wenn es im Herbst weitergeht, und unsere Mitglieder verkörpern den ideellen Rückhalt, den das Museum in der Bevölkerung braucht.
Lassen Sie mich ganz deutlich sagen: Der 27. Juni hat Weichen gestellt, aber der Weg ist noch weit und wird den Gremien der Stiftung und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sehr viel Arbeit abverlangen. Wer dem Museum und seinem hochmotivierten Personal in dieser kritischen Lage seine Solidarität bekunden möchte, sollte bald wieder einmal in Radebeul vorbeischauen!