Die Stimmung in der Belegschaft des Karl-May-Museums Radebeul ist nach der Kündigung des Museumsdirektors Christian Wacker schlecht. Die Mitarbeiter beklagen den Abgang ihres allseits geschätzten Chefs und kritisieren die Bedingungen, die zu der Kündigung führten, und den Vorstand der Karl-May-Stiftung scharf. Dies geht nach Informationen von KARL MAY & Co. aus einem Schreiben hervor, das alle Mitarbeiter des Museums unterzeichneten und an das Kuratorium der Karl-May-Stiftung sandten, dem Gremium, das gegenüber dem Vorstand der Stiftung eine Art Kontrollfunktion einnimmt und ihn unter bestimmten Voraussetzungen auch seines Amtes entheben kann. Nach dem offenen Brief des Museumsdirektors, der schwerwiegende Vorwürfe gegen die Karl-May-Stiftung erhob (KARL MAY & Co. berichtete), hat auch dieses Schreiben Durchschlagskraft.

Denn in dem Brief entzieht die gesamte Belegschaft dem Vorstand das Vertrauen. „Nachdem bereits einige von uns die bis heute nicht nachvollziehbare Entlassung von Claudia Kaulfuß im Januar 2018 miterlebten mussten, die dieser Vorstand gegenüber der Belegschaft ebenso schlecht kommunizierte, ist das Vertrauen des gesamten Museumsteams gegenüber den derzeitig aktiven Vorstandsmitgliedern in keiner Form mehr vorhanden“, heißt es. Und mehr noch: Man fordert die Auswechslung des amtierenden Vorstandes, indem die Mitarbeiter geschlossen ihre eigene Zukunft im Museum in Frage stellen: „Die geschehenen, aktuellen und eventuell auch zukünftigen Entscheidungen des Vorstandes veranlassen uns in Frage zu stellen, inwieweit unsere berufliche Zukunft noch im Karl May Museum liegt und wir mit unserem Engagement sowie unseren qualifizierten Fähigkeiten noch länger für die Karl-May-Stiftung zur Verfügung stehen.“

Ebenso stärkt die gesamte Belegschaft des Museums, die übrigens am gestrigen Freitag einen Betriebsrat gründete, ihrem bisherigen Chef Christian Wacker den Rücken: „Herr Dr. Wacker (…) hatte sich innerhalb kürzester Zeit das uneingeschränkte Vertrauen und Ansehen aller Mitarbeiter*innen erarbeitet. Wir sind in den letzten zwei Jahren gemeinsam mit ihm als Team eng zusammengewachsen und verlieren nun mit ihm nicht nur einen sehr geschätzten Chef und Kollegen, sondern auch einen guten Freund. Dr. Wacker übernahm das Museum in einem desolaten Zustand (…) und schaffte es innerhalb kürzester Zeit die Museumsarbeit zu professionalisieren und unser in die Jahre gekommenes Karl May Museum für Besucher aus dem In- und Ausland wieder attraktiv zu gestalten und das Image des Museums deutlich zu verbessern. Die Erfolge dieser Arbeit sind heute in allen Bereichen des Museums sichtbar und die gesamte Belegschaft hat neue Freude und Elan für die alltägliche Arbeit im Museum gefunden.“

Zudem schließt man sich der bereits von Christian Wacker geäußerten Kritik an, ein freier Diskurs zu Karl-May-Themen sei vom Stiftungsvorstand beschnitten worden: „Derzeitig bestärkt sich bei allen Mitarbeiter*innen des Museums das Gefühl, der Vorstand der Karl-May-Stiftung handelt mehr im Eigeninteresse als im Interesse ihrer Mitarbeiter und im Sinne Karl Mays. Konkret haben wir als Team die Auseinandersetzung des derzeit gewählten Stiftungsvorstandes mit Dr. Wacker über einen Artikel einer amerikanischen Wissenschaftlerin für die letzte Ausgabe des Magazins ‚Der Beobachter an der Elbe‘ mitbekommen. Dass der Artikel vom Vorstand mit der Begründung, er könne den Anschein erwecken, dass May homosexuell gewesen sein könnte, abgelehnt wurde, sorgt für uns als Team, das sich den Idealen Karl Mays von Weltoffenheit, Toleranz und freier Meinungsäußerung verpflichtet sieht, für absolutes Unverständnis. Wir als Belegschaft des Museums (…) sind über das Verhalten des Vorstandes mehr als erschüttert. Das Verhalten des Vorstandes widerspricht in unseren Augen den Idealen der Karl-May-Stiftung, die als legitimer Erbe doch gerade für mehr Toleranz in der Gesellschaft eintreten sollte“, heißt es in der Erklärung.

Das große Projekt eines Museumserweiterungsbaus, das bereits vor acht Jahren als Vision angekündigt wurde, sehen die Mitarbeiter inzwischen skeptisch: „Auch bezüglich unserer großen Vision eines Neubaus, auf den sich alle Mitarbeiter*innen schon seit vielen Jahren freuen, herrscht mehr und mehr Verwirrung innerhalb der Belegschaft. Wir alle arbeiten außerordentlich gerne im Karl May Museum und nehmen dafür u.a. auch im Vergleich zu anderen musealen Einrichtungen geringere Löhne im Interesse des Fortbestehens des Museums als private Einrichtung in Kauf. Bis auf einen Entwurf des Neubaus und einer inhaltlichen Konzeption, die Christian Wacker bereits zum 90. Geburtstag des Museums am 01.12.2018 präsentierte, kamen trotz fortführender Planungen des Teams von Seiten der Stiftung keine aktiven Schritte zur Realisierung des Projektes. Der Glaube an den Neubau ist daher bei uns allen in den letzten Monaten stark gesunken“, schreibt die Museumsbelegschaft.

Damit dürfte das Problem, mit dem sich die Karl-May-Stiftung in Vorstand und Kuratorium nun auseinandersetzen muss, eine noch größere Dimension bekommen. Nach Informationen von KARL MAY & Co. finden in der kommenden Woche Sitzungen der Stiftungsgremien statt, in denen das weitere Vorgehen beraten wird. Der Stiftungsvorstand hat bisher nicht öffentlich auf die Vorwürfe des scheidenden Museumsdirektors reagiert. Lediglich Bert Wendsche, Oberbürgermeister von Radebeul und Mitglied im Stiftungsvorstand, äußerte sich in aktuellen Presseartikeln. „Reisende soll man nicht aufhalten“, lautete etwa der lapidare Kommentar des Parteilosen auf tag24.de. Und weiter: „Dass Herr Dr. Wacker als Noch-Geschäftsführer mit derartigen Vorhaltungen in die Öffentlichkeit geht, enttäuscht, spricht jedoch für sich Bände“, so Wendsche.

Derweil legte Christian Wacker seine Abschiedsgründe am Mittag im Radiosender MDR Kultur noch einmal dar. Er fasste zusammen, was er bereits schriftlich geäußert hatte, und erklärte zugleich auf Nachfrage, bei Änderungen der kritisierten Strukturen gern nach Radebeul zurückzukehren. Für ihn sei das ein „emotionales Anliegen“. Denn: „Ich bin mit Karl May überhaupt nicht fertig!“