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„Was Karl May angeht, so bin ich nicht derselben Meinung wie der Kollege Jochen Bludau aus Elspe, den Sie zitieren, man müsse Karl May modernisieren. Genauso wenig glaube ich, dass die Jugend nichts mehr mit Karl May anfangen kann. Sicher muss man ihn ein bisschen entstauben, auch sprachlich. Das heißt aber nicht, dass ich plötzlich ganz flippig sein muss. Denn es bleibt ja ein Märchen! Die Leute, die hierher kommen, wollen sich für zwei Stunden verzaubern lassen. Da darf man keine Scheu haben, dieses Märchen mit all dem Karl-May-Pathos aufzuführen. Man muss Karl May ernst nehmen!“

Mit diesen Worten brachte Bad Segebergs Regisseur Norbert Schultze jr. nach seiner dritten Inszenierung „Der Ölprinz“ (2000) seine Konzeption von Karl-May-Spielen auf den Punkt (in einem ausführlichen Interview mit KARL MAY & Co., siehe Heft Nr. 81). Der Spezialist für Freilichttheaterstücke blieb – mit Unterbrechungen – bis 2019 am Kalkberg. Nun ist Schultze jr. im Alter von 78 Jahren in Hamburg verstorben.

„Am Kalkberg herrscht Trauer“, heißt es in einer Pressemitteilung der die Karl-May-Spiele veranstaltenden Bad Segeberger Kalkberg GmbH vom heutigen Tag. Darin ergänzt die Geschäftsführerin Ute Thienel, die ebenso wie Textbuchautor und neuer Mediensprecher der Spiele Michael Stamp lange mit Schultze jr. zusammenarbeiteten: „Norbert Schultze jr. hat die Karl-May-Spiele länger und nachhaltiger geprägt als jeder seiner Vorgänger“, so Thienel. „Wir verlieren einen guten Freund. Er war für uns über zwei Jahrzehnte lang der Fels in der Brandung – jemand, den nichts und niemand aus seiner unerschütterlichen Ruhe bringen konnte und der auch im größten Trubel den Überblick behielt“, erklärt Ute Thienel. „Es war immer eine Freude, mit Norbert zu arbeiten – und mit seinem Gespür für eine packende Musikuntermalung, für effektvolle Auftritte und prächtige Massenszenen hat er den Karl-May-Spielen seinen ganz persönlichen Stempel aufgedrückt.“

Im Frühjahr 1996 kam Norbert Schultze jr. zu den Karl-May-Spielen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der gebürtige Berliner bereits eine jahrzehntelange Karriere im Film-, Fernseh- und Theatergeschäft vorzuweisen. Das Talent in Sachen Musik war ihm in die Wiege gelegt worden: Sein Vater Norbert Schultze war ein erfolgreicher Komponist, der unter anderem den Evergreen „Lili Marleen“, die Ohrwürmer aus dem Kultfilm „Die Mädels vom Immenhof“ und viele Bühnenwerke geschaffen hatte. Im Kinofilm „Max und Moritz“ spielte Norbert Schultze jr. im Alter von 14 Jahren den Max. 

Als in den 1960er-Jahren die Karl-May-Filme mit Pierre Brice und Lex Barker gedreht wurden, gehörte Norbert Schultze jr. zum Stab der Filmproduktion – ebenso beim allerersten James-Bond-Film „Dr. No“. 1968 fing er beim Sender Freies Berlin an und wurde Leiter des neuen Dritten Programms. Auch später blieb er ein Fernsehpionier: Norbert Schultze jr. gehörte zum Gründerteam von RTL im Jahre 1982 und hob auch den Soap-Dauerbrenner „Gute Zeiten – schlechte Zeiten“ als Regisseur und Producer aus der Taufe. Jahrelang inszenierte er „Die aktuelle Schaubude“ und die „Sesamstraße“. Als Regisseur der Serie „Alphateam – Lebensretter im OP“ sammelte er auch medizinische Erfahrungen. Zwei Staffeln lang inszenierte er die ARD-Soap „Rote Rosen“. 

Die Wintermonate verbrachte der Wahl-Hamburger seit vielen Jahren in Südafrika, wo er das Deutsche Theater am Kap gründete, das er als Intendant betreute.

Im September 2019 nahm er auf dem Höhepunkt des Erfolges seinen Abschied von den Karl-May-Spielen: Erstmals wurden über 400.000 Zuschauer gezählt. Schon seit einigen Jahren hatte Norbert Schultze jr. überlegt, sich aus der Großproduktion zurückzuziehen, diesen Moment aber aus Liebe zu den Karl-May-Spielen immer wieder verschoben.

„Mir macht das großen Spaß, und ich fahre jeden Tag zwischen Hamburg und Segeberg die 102 Kilometer hin und her – immer freue ich mich über diese Familie, die sich hier zusammenfindet“, sagte Schultze 2000 im KARL MAY & Co.-Interview. Diese Familie wird ab 2021, so Corona will, von Schultzes Nachfolger Ulrich Wiggers zusammengehalten, der dann „Der Ölprinz“ auf die Bühne bringen soll.